Anlässlich der aktuellen Diskussion um Hubert Aiwanger erklärt Marlene Schönberger:
„Beim politischen Frühshoppen auf dem Gillamoos wurde Hubert Aiwanger gefeiert wie ein Popstar. Umfragen für Bayern prognostizieren, dass Wähler*innen aller Parteien planen, dieses Mal aus Aiwanger-Solidarität das Kreuz doch bei den FW zu machen. Aber geht es hier wirklich nur um Hubert Aiwanger?
Die Entnazifizierung war in Deutschland schon immer mehr Mythos als Realität. Es gab wenig Auseinandersetzung mit den mörderischen Verbrechen der Nazis und ihrer Ideologie. Es wurde ein Tuch des Schweigens um die Tatsache gehüllt, dass diese antisemitische Ideologie der Nazis von den aller meisten Deutschen geteilt wurde. Die Vernichtungsmaschinerie, die Morde an Millionen von Menschen wurde gebilligt.
Antisemitismus wurde nach 1945 in Deutschland in der Öffentlichkeit tabuisiert. In den Familien, auf den Stammtischen lebte er weiter. Genauso zog der Rechtsterrorismus eine blutige Spur antisemitischer Gewalt durch die deutsche Geschichte nach 1945. Woher kommt aber nun der Jubel und die Solidarität in der Causa Aiwanger? Es geht darum, dass endlich wieder ein Hauch von Schlussstrich weht. Statt Kontinuitäten zu begreifen, wird alles zum abgeschlossenen Ereignis aus der Vergangenheit erklärt. Das führt zu individueller Erleichterung, denn der bayerische Ministerpräsident höchstpersönlich hat nicht nur Aiwanger, sondern allen die sich danach sehnen Absolution erteilt: Die eigenen Witze, die nicht aufgearbeitete Familiengeschichte, das eigene Gedankengut scheinen schon ok zu sein.
Das Agieren von Markus Söder ist fatal. Zu Wahlkampfzwecken nimmt er in Kauf, dass der Kampf gegen Antisemitismus und alle Bemühungen einer ehrlichen Auseinandersetzung mit deutscher Täterschaft torpediert werden.“